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Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus in der DDR
7. Oktober 2019, 19:00 bis 21:00
Verlauf Ursachen und Folgen
Vortrag von Henry Waibel
Bis zum Untergang der DDR wurden neonazistische, rassistische und antisemitische Propaganda- und
Gewalttaten offiziell als ein Staatsgeheimnis behandelt und über das Ende der DDR hinaus bis in die
Gegenwart verleugnet und verdrängt. Etwa 7.000 neonazistische Angriffe bilden numerisch das
Hauptgewicht in diesem Spektrum des Grauens, während der Anteil der rassistischen Angriffe bei etwa 725
Vorfällen liegt. Hier sind die Angriffe auf afrikanische, muslimische und kubanische Arbeiter von
Bedeutung, da sie das Gro der Opfer darstellen. Der Anteil antisemitischer Angriffe liegt bei etwa 900 und
davon sind etwa 145 Schändungen jüdischer Friedhöfe und Gräber.
Ab den 1960er Jahren haben in über 110 Städten und Gemeinden etwa 200 Pogrome bzw. pogromartige
Angriffe von Neonazis stattgefunden. Ab den 1970er Jahren gab es über 30 rassistische Angriffe auf
Wohnheime von ausländischen Arbeitern, wobei der Anfang ein Wohnheim in Erfurt 1975 war und diese
Reihe endete in der DDR im August 1990 als in Trebbin (Bezirk Potsdam) ein Wohnheim für Mosambikaner
von etwa 30 Neonazis angegriffen wurde. Die Straftaten haben in etwa 400 Städten und Gemeinden
stattgefunden und sie sind ein Ausdruck der in allen Bezirken der DDR aktiven rechten Bewegung, deren
organisatorische Zentren über 100 neonazistische Gruppen bildeten.
Die SED, besonders ihre Führung, nahm die Rechten in der DDR bis Anfang 1988 kaum wahr und sie war
dann auch nicht mehr in der Lage entscheidend dagegen vorzugehen. Als ab dem Sommer 1989 Tausende
gegen die SED auf Straßen und Plätzen demonstrierten, bildeten dabei die verschiedenen Gruppen der
rechten Bewegung ihren, auch gewalttätigen Anteil, am Zusammenbruch der SED-Diktatur. Bei der Wahl am
18. März 1990 zur Volkskammer erzielte die in der „Allianz für Deutschland“ (AfD) zusammengefasste
parlamentarische Rechte, mit knapp 50 Prozent die meisten Stimmen und konnte, zusammen mit der SPD
und den Liberalen, die Regierung stellen.
Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten haben nach Angaben des Bundesamtes für
Verfassungsschutz (BfV) mehrere hunderttausend rechte Propaganda- und Gewaltstraftaten stattgefunden
und nach meinen Recherchen gab es in diesem Zeitraum über 370 Tote und tausende Verletzte und der Anteil
der Täter stammt überproportional (4:1), d. h. gemessen an der Zahl der Einwohner, aus den neuen Ländern
im Osten. Diese Struktur lässt sich ebenfalls in Berlin feststellen, wenn man die Berliner Bezirke im Osten
und im Westen vergleicht. Fälschlicherweise wurde behauptet, diese Entwicklung wäre ausschließlich den
ökonomischen, sozialen und politischen Verwerfungen seit dem Vereinigungsprozess geschuldet.
In beiden deutschen Staaten gab es Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus, die die historischen
Voraussetzungen dafür sind, dass es zu den brandgefährlichen gesellschaftspolitischen Verhältnissen der
Gegenwart kommen konnte.