Urgesellschaft | Henrike Naumann

Ab dem 23. Juni bis zum 24. Juli 2019 folgte die zweite Ausstellung mit Henrike Naumanns Rauminstallation Urgesellschaft.

Photo: Ladislaw Zajac
Courtesy Henrike Naumann, KOW Berlin.

In der raumgreifenden Installation Urgesellschaft nutzte Henrike Naumann das Potenzial des künstlerischen Ausdrucks, um politische und gesellschaftliche Fragen zur Diskussion zu stellen, die, dreißig Jahre nach dem Mauerfall, teilweise nicht verhandelt wieder zutage treten. Die 1984 in Zwickau geborene, international tätige Künstlerin nutzt dabei Originalmöbel aus der deutsch-deutschen Wendezeit der 1990er Jahre, um mit Hilfe der damaligen ästhetischen Mittel die Erinnerungen der Besucher*innen zu wecken.

Der Titel der Ausstellung schuf dabei bereits eine Brücke zwischen der vergangenen und heutigen Zeit in Bezug auf ihre ideologischen Rahmenpunkte, da das „lineare Treppenmodell marxistischer Gesellschaftsentwicklung und das kapitalistische Wachstumsparadigma einen positiven Bezugspunkt teilen: die Urgesellschaft der Sammler und Jäger als eine Projektion der menschlichen Fundamente des Sozialen. Naumanns Installation nimmt,“ so der Begleittext von Clemens Villinger zur Ausstellung Ostalgie der Berliner Galerie KOW, in der sie zuvor gezeigt wurde, „die Materialität anthropologischer Narrative und reaktionärer Gesellschaftsentwürfe in den Blick. DDR-Alltagsobjekte vermischen sich mit cartooneskem Mobiliar zu einer flintstonehaften ‚Neosteinzeit‘ (Markues). Naumanns Arbeit fragt nach der Anziehungskraft von Utopien, deren Versprechen darin liegt, die Komplexität der Gegenwart zu reduzieren und eine vermeintlich einfache Vergangenheit zu konstruieren. Eindeutig mit Gewalt und Macht durchgesetzte geschlechtliche, rassische, soziale Ordnungen bilden die ge- danklichen Konstanten dieses imaginierten ‚Retrotopia‘ (Zygmunt Bauman).“

Mit der Vorstellung einer Urgesellschaft wird damit der ideologische Rahmen gesetzt, in dem die ausgestellten Alltagsgegenstände verhandelt werden. Ihrer Zeit und ihres ursprünglichen Nutzens entrückt, wird das verwendete Mobiliar somit zum Träger verschiedener Erzählebenen und sieht sich der heutigen Gesellschaft gegenübergestellt. Nicht zuletzt durch die Besucher*innen und dem Ort selbst, die mit ihren eigenen Lebensrealitäten den historischen Kontext neu definieren. Der architektonische Komplex, die sogenannte „Parteisäge“ – des ehemaligen SED Bezirksleitungsgebäudes – in dem die Ausstellung in Chemnitz präsentiert wird, ist eben- falls ein Symbol dieser Zeit. Er wurde früher von Blumen- beeten und Paraden gerahmt und liegt nun, obschon mitten in der Stadt und wieder mit Behörden besetzt, heute ein wenig unbeachtet und abseits des städtischen Lebens.

Was soll sich daraus entwickeln? Wie passen die gelebten Vorstellungen mit den heutigen zusammen und was wird in Zukunft daraus? Nicht zuletzt bietet gerade dafür der eingerichtete Chemnitz Open Space einen Raum sich diesen Fragestellungen zu stellen und Altes mit Neuem zu verbinden oder weiterzuentwickeln.

 

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